Planten un Blomen – Wenn ein Park erzählen könnte

Blauer Himmel, Sonnenschein, eine leichte Brise und milde Temperaturen – genau die richtige Zeit, um hinaus ins Grüne zu gehen. In Hamburg hat man da die Qual der Wahl, denn die alte Hansestadt bietet gleich eine ganze Reihe schöner Parks, ganz zu schweigen von den weitläufigen Uferanlagen an Alster und Elbe. Zu den ältesten und aufgrund seiner zentralen Lage beliebtesten Parks gehört „Planten un Blomen“ (plattdeutsch für „Pflanzen und Blumen“), und – wie ich finde – ist er hinsichtlich seiner wechselvollen Geschichte auch der interessanteste.

Wer dort flaniert, ist sich kaum dessen bewusst, auf den Spuren einer gewaltigen Stadtbefestigung zu wandeln. Und die wenigsten wissen, dass sich hier während der Naziherrschaft ein riesiger Aufmarschplatz und Zwangsarbeiterlager befanden. Planten un Blomen ist heute eine Oase der Ruhe inmitten großstädtischen Getümmels, ein Freizeitgelände für Jung und Alt, mit einem wunderbaren Japanischen Garten, mit Wasserspielen, Spielplätzen und vielem mehr. Das gesamte Areal erstreckt sich vom Dammtor-Bahnhof bis zum Hafen und schließt den Alten Elbpark samt Bismarck-Denkmal mit ein.

Was also gibt es über die Geschichte von „Planten un Blomen“ zu erzählen? Sie begann Anfang des 17. Jahrhunderts, als Hamburgs Ratsherren den niederländischen Ingenieur und Festungsexperten Johan van Valckenburgh mit dem Bau einer riesigen Festungsanlage beauftragten. In den vorangegangenen Jahrhunderten hatte sich die wohlhabende Handelsstadt immer wieder gegen Zugriffe vor allem seitens der skandinavischen Nachbarn verteidigen müssen. Noch heute zeugen Straßennamen von früheren Stadtbefestigungen wie Alter und Neuer Wall. Ebenfalls an der Elbe und nur wenige Kilometer westlich liegt die damals zu Dänemark gehörende Stadt Altona, mit der Hamburg konkurrierte und oft in Konflikt geriet. Im Jahre 1616 gründete der dänische König Christian IV. nur knapp 50 Kilometer flussabwärts von Altona entfernt den Kriegshafen Glückstadt. Im selben Jahr begannen die Hamburger mit dem Bau der neuen Festungsanlage. Fast zehn Jahre dauerte es bis ein mächtiger Wallring mit 22 hohen Bastionen, besetzt mit Kanonen, und einem äußeren tiefen Wassergraben vollendet war. Er umschloss die gesamte Stadt: vom Elbufer im Südwesten, nahe den heutigen St. Pauli Landungsbrücken, führte er nach Nordosten zur Alster, teilte diese in Binnen- und Außenalster und verlief dann in einem Bogen zurück zum Elbufer, nahe der heutigen Elbphilharmonie.

Im Museum für Hamburgische Geschichte befindet sich ein Modell von Hamburg im Jahre 1644. Es wurde von Edmund Köster nach einem Kupferstich von Arnold Pitersen gefertigt und ist ein Geschenk des Vereins für Hamburgische Geschichte.

Auch die heikelste Stelle, die Hafeneinfahrt, war bestens gesichert. Insgesamt gesehen ein Meisterwerk, das zwar Unsummen verschlungen hatte, Hamburg aber militärisch uneinnehmbar machte und die Stadt vor den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) schützte. Nur wenige deutsche Städte hatten diesen Krieg unversehrt überstanden.

Weitgehend in Vergessenheit geraten ist, dass Teile des heutigen Planten un Blomen einst Friedhofsgelände war. Seit 1795 durften keine Bestattungen mehr auf innerstädtischen Friedhöfen erfolgen. Die einzelnen Hauptkirchen bekamen deshalb außerhalb der Stadtbefestigung im Nordwesten Land zugewiesen, um neue Kirchhöfe und Begräbniskapellen anzulegen. Der Straßenname „Bei der Kirchhöfen“ zeugt noch davon, ebenso die St. Petri Begräbniskapelle in der St. Petersburger Straße.

Die einzigartige Stadtbefestigung hatte Hamburg zu einem sicheren Ort gemacht, der viele Zuwanderer anzog. Doch 200 Jahre später hielt der alte Wallring den modernen Entwicklungen in Waffentechnik und Kriegsführung nicht mehr stand. 1806 gelang es französischen Truppen, die Stadt zu erobern und acht Jahre lang besetzt zu halten. Die Hamburger mussten umdenken und statt auf wehrhafte Anlagen setzten sie nun auf geschickte Diplomatie oder sie erkauften sich einfach den Frieden. Deshalb beschlossen die Ratsherren 1820 die Entfestigung der Stadt. Der Wallring sollte zu einer ersten öffentlichen Grünanlage umgestaltet werden, die allen Bürgern der Stadt zur Verfügung stand. Damit beauftragt wurde der Bremer Landschaftsgärtner Isaak Altmann, der sich mit solchen Projekten auskannte. Nach seinen Plänen verwandelten die Bremer gerade die dortigen Wallanlagen in einen Landschaftspark nach britischem Vorbild. Ähnliches schlug er für Hamburg vor. Die ehemalige Befestigungsanlage sollte zu einem breiten Promenadenring umgebaut werden, und tatsächlich gelang es, nach seinen Plänen in den folgenden Jahrzehnten eine einzigartige Parklandschaft zu erschaffen mit viel Platz für Erholung und Bildung, für Museen, wissenschaftliche Institutionen und schließlich für einen modernen Verkehrsknotenpunkt, den Hauptbahnhof.

Private Initiativen trugen zur Gestaltung der Grünanlagen bei. Auf dem Stintfang, einer ehemaligen Bastion am Hafen, entstand ein privates Observatorium. Die Anlage eines botanischen Gartens ging auf den Botaniker Johann Christian Lehmann zurück. Noch heute steht im „Alten botanischen Garten“ eine 1821 von ihm gepflanzte Platane.  Um 1860 planten wohlhabende Hamburger Bürger, allen voran der Großkaufmann Ernst Freiherr von Merck, den Bau eines Zoologischen Gartens. Eine eigens gegründete Gesellschaft sollte Finanzierung und Betrieb der Anlage sichern. Die Stadt stellte ein entsprechendes Gelände nahe des Dammtores zur Verfügung. So entstand ein weitläufiges Zoogelände mit Teichanlagen, dichtem Baumbestand und schönen Tiergehegen mit Giraffen, Elefanten, Affen und manch anderem Getier. Hamburger Kaufleute in Übersee und Adelsfamilien trugen durch Schenkungen zur Beschaffung der Tiere bei. Der Hamburger Hafen war damals ein Zentrum des internationalen Tierhandels. Erster Direktor des 1863 eröffneten Zoologischen Gartens war der bekannte Tierforscher Alfred Brehm. Im ersten Halbjahr zog der Park bereits 255.000 Besucher an. Ein voller Erfolg, doch keine fünfzig Jahre später begann der Niedergang, eingeleitet durch den 1907 in Stellingen eröffneten „Hagenbecks Tierpark“. Gegen diese Konkurrenz war nur noch schwer anzukommen und zwang 1930 zur endgültigen Aufgabe. Nur die angrenzende „Tiergartenstraße“ erinnert heute an diesen Teil der Geschichte.

Nach 1933 gliederten die Nationalsozialisten das Gelände des ehemaligen Tiergartens  und das der alten Kirchhöfe in einen neuen Volkspark ein. (Die Kirchhöfe waren bereits 1879 geschlossen und einige wenige Gräber auf den neuen Ohlsdorfer Friedhof umgebettet worden.) Die Nationalsozialisten setzten neue Akzente und bevorzugten Heimatkundliches. 1935 eröffneten sie die „Niederdeutsche Gartenschau Planten un Blomen“, in der sich die deutsche Pflanzenwelt widerspiegelte. Der niederdeutsche Name für „Pflanzen und Blumen“ stammt aus jener Zeit. 1938 wurde ein Aufmarschgelände angelegt für Massenversammlungen und Ausstellungen wie „Wehr und Sieg“ mit einer Zurschaustellung von Kriegsgerät, später, während des Zweiten Weltkriegs kamen Barackenlager für Zwangsarbeiter hinzu. 1943 versank das gesamte Gelände im Bombenhagel der Operation Gomorrha. Nach Kriegsende errichtete die britische Militärregierung an gleicher Stelle ein Übergangslager für Zehntausende befreiter Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangener. Alte Fotos aus jenen Jahren zeigen ein durch Gewaltherrschaft und Krieg zerstörtes Planten un Blomen. Wie sollte es auch anders sein im damaligen Nachkriegsdeutschland. Und doch spiegelt sich in dieser einen Anlage auch der Wiederaufbau eines ganzen Landes wider. Schon 1953 konnte in Planten un Blomen eine Internationale Gartenbau-Ausstellung veranstaltet werden. Weitere folgten 1963 und 1973. Nichts erinnert heute an Weltkrieg und Zerstörungen, bis auf die alte unterirdische Bunkeranlage, die jedoch verschlossen ist und nur als Schutzraum den Fledermäusen zugänglich ist.

Planten un Blomen blickt auf eine wandlungsvolle Vergangenheit zurück. Auch die Zukunft wird wohl noch viele Veränderungen bringen. Mein Lieblingsplatz in dieser Anlage ist der Japanische Landschaftsgarten, eröffnet im Mai 1991 und angeblich der größte seiner Art in Europa. In seinem Zentrum steht ein kleines Teehaus an einem Teich.

In den Sommermonaten finden dort regelmäßig Teezeremonien statt. Der Japanische Landschaftsgarten folgt der Tradition ostasiatischer Gartenarchitektur, die selbst auf kleinstem Raum mit Hilfe von Felsgestein, Wasser und Pflanzen ein Abbild der Natur schafft. Ein solcher Garten ist ein Ort der Kontemplation, der Ruhe und Erholung – eben ein Lieblingsplatz.

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