Jingdezhen 景德镇 – ein Besuch in der Welthauptstadt des Porzellans

Beim täglichen Gebrauch von Porzellan ist es wahrscheinlich den wenigsten von uns bewusst, dass es sich dabei um eine der größten chinesischen Erfindungen handelt. Schon im 6. Jahrhundert waren die Chinesen in der Lage, Porzellan herzustellen. Also lange bevor 1708 im deutschen Meißen das lang gehütete Geheimnis der Porzellanrezeptur gelüftet wurde.

Chinesisches Alltagsgeschirr © Petra Häring-Kuan

Nach drei Corona-Jahren hatte ich im Sommer 2023 endlich wieder Gelegenheit, Verwandte und Freunde in China zu besuchen. Die bange Frage, ob es irgendwann zu einer weiteren Pandemie und folglich zu Reisebeschränkungen kommen könnte, ging mir nicht aus dem Sinn. Also beschloss ich, nicht länger aufzuschieben, was ich schon immer einmal machen wollte, nämlich nach Jingdezhen zu fahren.

Jingdezhen steht für Porzellan von höchster Qualität

Es gibt viele Ortschaften in China, in denen Porzellan hergestellt wird. Heute ebenso wie vor vielen Hundert Jahren. Doch kein anderer Ort erreichte je die Berühmtheit von Jingdezhen. Allein beim Klang dieses Namens schlagen bis heute die Herzen der informierten Porzellanliebhaber höher, denn hier bestellten die chinesischen Kaiser in eigenen Manufakturen das Porzellan für ihre Paläste.

Bei einem Essen mit chinesischen Freunden in Shanghai erzählte ich von meinen Reiseplänen. Jingdezhen liegt in der südchinesischen Provinz Jiangxi, etwa 600 Kilometer südwestlich von Shanghai entfernt.

“Jingdezhen” in roter Schrift

Früher war Jingdezhen recht mühselig zu erreichen, heute ist die Stadt an das moderne Verkehrsnetz angeschlossen.

Unter den Freunden war eine junge Frau, die sogleich anbot, mich mit ihrem Auto dorthin zu begleiten. Eine weitere wollte sich uns anschließen. Zufällig saß ein Keramiker mit am Tisch, der beste Beziehungen nach Jingdezhen unterhielt. Er versprach, für uns ein fünftägiges Besuchsprogramm zu organisieren. Selbst begleiten konnte er uns leider nicht, aber wir würden dort in besten Händen sein, versicherte er. Wir waren schließlich zu viert, als wir zwei Wochen später aufbrachen.

Die Kunde von der weißen Keramik der Chinesen

Die Erfindung des Porzellans ist in China an keine feste Jahreszahl gebunden. Es entwickelte sich im Laufe der Zeit eher zufällig als eine Variante der bereits vielfältig vorhandenen Keramiktechniken. Manche vermuten, dass es einfache Formen des Porzellans bereits zu Beginn unserer Zeitrechnung in China gegeben hat. Gesichert ist diese Vermutung jedoch nicht.

Die Kunde von der weißen Keramik der Chinesen gelangte im 13. Jahrhundert über die Seidenstraße in den Westen. Kaufleute wie der Venezianer Marco Polo (1254-1324) kehrten aus dem Osten zurück und berichteten von wundersamen Kostbarkeiten. Dazu gehörten die dünnwandigen weißen Gefäße der Chinesen. Ihr Glanz erinnerte an „porcellana“, das glänzende Gehäuse einer Kaurischnecke, was den kostbaren Gegenständen schließlich den Namen gab.

Auf nach Jingdezhen

Laut Navigator sollte die Fahrt sechseinhalb Stunden dauern. Um sieben Uhr früh ging es los. Wir mussten uns beeilen, denn der erste Programmpunkt war bereits für 14 Uhr geplant. In einer kleinen Manufaktur sollte ein traditioneller Ofen nach 26stündigem Brand und entsprechend langer Abkühlzeit geöffnet werden. Man würde nicht auf uns warten können, hieß es. Also mussten wir uns sputen, wollten wir diesem Ereignis beiwohnen.

Trotz Geschwindigkeitsbegrenzung auf den gut ausgebauten Autobahnen und zwei kleiner Pausen schafften wir es, pünktlich in Jingdezhen einzutreffen. Gleich an einer der ersten Straßenkreuzungen erblickten wir das Monument einer symbolischen Flamme. Ein Hinweis auf die lange Tradition der Porzellanherstellung Jingdezhens.

Monument einer Flamme © Petra Häring-Kuan

Große Aufregung in der Manufaktur

Als wir die Werkstatt betraten, schallte uns lautes Stimmengewirr entgegen. Junge Leute, ausgerüstet mit Handys, Mikrofonen und Kameras, warteten aufgeregt auf die Öffnung des Ofens.

Gespanntes Warten vor dem Brennofen © Petra Häring-Kuan

In der heiteren Stimmung schien sich niemand an der Hitze zu stören, die im Raum herrschte. Anfang Juli hatten wir im Freien über 35°C, drinnen in der Werkstatt war es wesentlich heißer.

Eine elegant gekleidete Frau begrüßte uns überschwänglich. Sie war eine Freundin des Shanghaier Keramikers. Wir nannten sie ab sofort „ältere Schwester Hao“. Vorsichtig, aber bestimmt, schob sie mich in Richtung des geziegelten Brennofens.

Gottheiten zu beiden Seiten des Ofens wachen über gutes Gelingen © Petra Häring-Kuan

Zunächst müsse mit einer langen Eisenstange der vermauerte Zugang aufgebrochen werden, erfuhr ich, und dazu hätte man ausgerechnet mich auserkoren. Zum Glück fassten zwei, drei kräftige Männer mit an, denn allein hätte ich die schwere Stange kaum heben können. Nach mehrmaligem „Hauruck!“ fielen die ersten Ziegelsteine.

Schlagartig herrschte gespannte Ruhe im Raum. Sicher fragten sich alle, ob der Brand gut gelungen war. Neugierig warf ich einen Blick in das Innere des Ofens, sah aber nur gestapelte Muffeln, also feuerfeste Kapseln, in denen das Porzellan während des Brennens vor Rauch und Asche geschützt wurde. Gleich darauf betrat einer der Männer über Holzbalken den Ofen und reichte die ersten Kapseln heraus.

Entladen des Ofens © Petra Häring-Kuan

Mehrere Töpfer hatten ihre Arbeiten brennen lassen. Sie drängten heran und nahmen die Kapseln in Empfang. Vorsichtig hoben sie die Deckel und warfen einen ersten Blick hinein. Sofort wurden sie von Neugierigen umringt.

Öffnen der Brennkapseln © Petra Häring-Kuan

Eine rote Vase kam zum Vorschein, im ersten Moment wunderschön anzusehen. Erst als ich näher herantrat bemerkte ich das Malheur. Die Glasur war auf einer Seite völlig misslungen. Wie hatte das passieren können? Enttäuscht stellte der Töpfer die Vase auf den Boden. Schade, wäre sie kleiner gewesen, hätte ich sie gern als Andenken mit nach Hause genommen.

Misslungene Glasur © Petra Häring-Kuan

Andere hatten mehr Glück. Nach und nach kamen Teebecher, Teller, Vasen, Schalen, Skulpturen und vieles mehr zum Vorschein.

Qualitätskontrolle © Petra Häring-Kuan

Nach eingehender Qualitätskontrolle landeten manche Stücke bei den jungen Frauen, die gerade noch das Öffnen des Brennofens für ihre digitale Anhängerschaft live übertragen hatten.

Geschäftige Betriebsamkeit © Petra Häring-Kuan

Sie boten das Porzellan sogleich zum Kauf an. Nicht lange und die ersten Geschäfte wurden getätigt.

Der Verkauf beginnt © Petra Häring-Kuan

In kleinen Gruppen standen die Töpfer zusammen und fachsimpelten, andere zogen sich mehr oder minder zufrieden mit ihrer Arbeit zurück.

Zufrieden mit seinem Werk © Petra Häring-Kuan

Warum gerade Jingdezhen?

Mehrere Ortschaften in China blicken auf eine lange Tradition der Keramikherstellung zurück, darunter Dehua, in der Provinz Fujian, im Süden des Landes, bekannt für sein feines Blanc de Chine. Ebenso Longquan, in der Küstenprovinz Zhejiang, bekannt für sein Seladon. Dass gerade Jingdezhen das Zentrum der Porzellanherstellung wurde, hatte die Stadt ihrer Lage zu verdanken. Jingdezhen war umgeben von Bergen und Wäldern, die alle notwendigen Rohstoffe boten, vor allem reiche Vorkommen an Kaolin, die berühmte weiße Tonerde, benannt nach dem Berg Gaolin, Hoher Gipfel, 高岭, etwa 50 Kilometer von Jingdezhen entfernt. Die umliegenden Wälder lieferten das Brennholz für die Öfen und die Nähe zu den Wasserwegen ermöglichte den sicheren Transport der kostbaren Ware zu den kaiserlichen Palästen.

Während der Tang-Dynastie (618-907) wurde das weißlich glänzende Porzellan aus Jingdezhen „falsche Jade“ genannt. Jade gehörte in China schon immer zu den meist geschätzten Edelsteinen.

Kaiser Zhenzong (968-1022) der Song-Dynastie (960-1279) förderte die Porzellanproduktion nach besten Kräften. Im Jahre 1004 gab er die Regierungsdevise Jingde heraus, womit er kundtat, dass Tugend (de) seine Herrschaft prägen sollte. Bis heute ist er als „Kaiser Jingde“ bekannt. Die Stadt wurde als Herstellungsort des kaiserlichen Porzellans nach ihm benannt: Jingdezhen. Ursprünglich hieß sie entsprechend ihrer Lage südlich des Chang-Flusses „Changnanzhen“.

Gan Daofu, 干道甫, ein Meister der Porzellankunst

Unsere Begleiterin, die „ältere Schwester Hao“, blies schon bald zum Aufbruch, denn ein nächster Termin stand an: der Künstler Gan Daofu erwartete uns in seiner Werkstatt.

Gan Daofu vor einem seiner Werke © Petra Häring-Kuan

Gan Daofu ist Landschaftsmaler und Keramiker in einer Person. Als renommierter Künstler lehrt er an mehreren Keramikhochschulen des Landes und ist dem Nachwuchs mit seiner Kreativität ein großes Vorbild.

Tischplatte aus Porzellan © Petra Häring-Kuan

Mit kräftigen Pinselstrichen lässt er abstrakte Landschaften entstehen. Jeder Strich muss sitzen, denn die kobaltblaue Farbe dringt sofort in die luftgetrocknete Porzellanmasse ein. Eine Korrektur ist nur schwer möglich. Bei dieser klassischen Art der blau-weißen Unterglasurkeramik werden die Teile erst nach dem Bemalen glasiert und gebrannt.

Gan Daofus Werke begeistern zahlungskräftige Kunden im In- und Ausland, vor allem in den Niederlanden, den USA und in Großbritannien,.

Landschaftsmalerei © Petra Häring-Kuan

Irdenware – Steingut – Steinzeug – Porzellan

Keramik aus gebranntem Ton gibt es in China wie auch im Westen seit vielen Tausend Jahren. Man unterscheidet zwischen poröser und dichter Keramik, also ob sie wasserdurchlässig ist oder nicht. Irdenware und Steingut sind porös, Steinzeug und Porzellan dicht. Wird bei Temperaturen von 800 bis 1000 °C gebrannt, bleiben die Gefäße porös, ein Mangel, der durch das Auftragen einer meist blei- oder zinnhaltigen transparenten Glasur behoben wird. Aus dem Steingut entwickelte sich in Europa die weitverbreitete Keramiktechnik der farbenfrohen Fayencen.

Da die Glasur bei diesem Verfahren nicht mit dem Ton verschmilzt, ist sie stoßanfällig und kann abblättern. Erst durch das Brennen bei Temperaturen zwischen 1200 und 1400 °C wird ein Versintern der Tonmasse erreicht, das heißt die Grundstoffe verbinden sich zu einem dichten, wasserundurchlässigen Material. Es entsteht Steinzeug, das keiner weiteren Glasur bedarf, was ein Vorteil ist, da manche Glasuren den hohen Temperaturen nicht standhalten.

Die chinesische Keramik, die ab dem 14. Jahrhundert hauptsächlich über die islamische Welt ins Abendland gelangte, bestand aus einem Material, das in Europa völlig unbekannt war. Die „Porzellan“ genannten Teile waren von strahlend milchweißer Farbe, bei leichtem Anschlag klingend und je nach Stärke im Gegenlicht durchscheinend. Dichte und Härte entsprachen dem Steinzeug. Zugleich hatte sich die Glasur mit dem Werkstoff unauflöslich verbunden, blätterte also nicht ab.

Von faszinierender Schönheit © Petra Häring-Kuan

Wie war es möglich, so etwas herzustellen?, fragten sich die europäischen Töpfer. Etwa vierhundert Jahre sollte es dauern, bis sie das Geheimnis lüfteten.

Woraus besteht Porzellan?

Die wichtigsten Grundstoffe für die Porzellanherstellung sind Kaolin, Feldspat und Quarz. Mischverhältnis und Zusatzstoffe können variieren, wodurch sich die Eigenschaften des Porzellans verändern.

Bei dem weißen Kaolin handelt es sich um ein Verwitterungsprodukt des Feldspats. Es bleibt beim Brand weiß, ist feuerfest und unschmelzbar. Feldspat hingegen schmilzt bei Temperaturen von über 1200 °C und verkittet mit dem Kaolin zu einer festen Masse.

Früher hieß es in China, ein Stück Porzellanmasse müsse durch siebzig Paar Hände gehen, bis es sich in transparent schimmerndes Porzellan verwandelt. Heute erfolgen viele Arbeitsgänge maschinell.

Schalen mit Unterglasurmalerei vor dem Brand © Petra Häring-Kuan

Aber tatsächlich erforderte die Porzellanproduktion schon in alter Zeit ein umfangreiches technisches Wissen und einen industriell organisierten Arbeitsablauf.

Ein Fall von Industriespionage

Davon wusste bereits der französische Jesuitenmönch und Missionar François Xavier d’Entrecolles (1664-1741) zu berichten, der ab 1698 in China lebte. Etwa sieben Jahre verbrachte er in Jingdezhen und Umgebung. Laut seiner Aussage sollen damals bereits mehr als eine Million Menschen in der Stadt gelebt haben, darunter Tausende von Handwerkern, die in den zahlreichen Manufakturen tätig waren. Scheinbar bekehrte er gezielt Mitarbeiter von Töpfereien. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Jedenfalls gelang es d’Entrecolles, durch ausführliche Befragung der Konvertiten detaillierte Informationen zur Porzellanherstellung zu sammeln. Diese fasste er in langen Briefen zusammen und schickte sie nach Frankreich. Im Jahre 1712 wurden sie dort veröffentlicht, später auch ins Englische übersetzt. Vor allem die französische und britische Keramikindustrie konnte von dem wertvollen Wissen immens profitieren. Im deutschen Meißen war man jedoch schneller gewesen. Dort produzierte man schon seit 1708 Porzellan. Der Alchemist Johann Friedrich Böttger, der ursprünglich glaubte, Gold herstellen zu können, und der Geologe Ehrenfried Walter von Tschirnhaus, der lange mit verschiedenen Erden experimentiert hatte, waren dem Geheimnis der Porzellanrezeptur bereits ein paar Jahre früher auf die Spur gekommen.

Keramik – ein aufwändiges Kunsthandwerk

Fünf Tage lang hatten wir Gelegenheit, uns große Manufakturen und kleine Werkstätten anzusehen. Dabei lernten wir die einzelnen Schritte der Porzellanherstellung kennen und schauten Töpfern und Malern über die Schulter.

Schon ihre Mutter war Porzellanmalerin und ihre Tochter ist es auch © Petra Häring-Kuan
Luftgetrocknet und fertig für den Brand © Petra Häring-Kuan
Auf Töpferscheiben wird nicht verzichtet © Petra Häring-Kuan
Nachbesserungen am Rohling © Petra Häring-Kuan

Spezielle Dekore erfordern eine hohe Professionalität der Mitarbeiter.

© Petra Häring-Kuan
© Petra Häring-Kuan
Mit sicherer Hand © Petra Häring-Kuan

Wir besuchten Museen und zogen an den Ruinen der einstigen kaiserlichen Manufakturen vorbei. Und natürlich gaben wir auch einiges an Geld aus, um etwas von dem schönen Porzellan zu erstehen, denn in Galerien, Fabrikshops, kleinen Läden und auf Märkten lockte ein reiches Angebot.

Zu Besuch bei Meister Lei Zi, 雷子

Ein weiterer Besuch in der Werkstatt eines selbstständigen Keramikkünstlers führte uns zu Lei Zi, der sich auf dem weitläufigen Gelände eines ehemaligen Altenheims niedergelassen hatte. In alter Zeit soll sich hier eine Manufaktur befunden haben. Bei Erdarbeiten kamen jede Menge historischer Tonscherben zum Vorschein.

Lei Zi lädt zum Tee ein © Petra Häring-Kuan

Wie andere selbstständige Künstler unterhält er dank der modernen Kommunikationsmittel und Netzwerke direkten Kontakt zu in- und ausländischen Kunden.

Anders als Gan Daofu, der die Blau-Weiß-Keramik bevorzugt, liebt Lei Zi das monochrome Porzellan.

© Petra Häring-Kuan
Eine dünnwandige Schale in Form eines Blattes © Petra Häring-Kuan
Lei Zi lässt dünnwandige Schalen klingen © Petra Häring-Kuan

Überall in der Stadt begegneten wir jungen Menschen, die aus anderen Teilen Chinas und auch aus dem Ausland nach Jingdezhen gekommen waren, um hier ihr Glück zu versuchen, sei es als Künstler oder Kleinunternehmer. Workshops, Galerien, Restaurants und Pensionen sind gut im Geschäft, denn der Ansturm vor allem inländischer junger Touristen ist groß. Sie entdecken zunehmend die Schönheit ihrer alten Kultur.

Lauschige Höfe zum Verschnaufen © Petra Häring-Kuan

Dank moderner Öfen beklagt die Keramikproduktion heute nur noch wenig Ausschuss. Wie groß dieser einst gewesen war, davon zeugen die historischen Müllhalden der Stadt. Dort findet man Bruchstücke aus verschiedensten Epochen. Diese werden heute gern verwertet. Man dekoriert mit ihnen Mauern, Wege und Gärten.

Ausschuss als Verzierung © Petra Häring-Kuan

Dem Einfallsreichtum sind dabei keine Grenzen gesetzt. Manche Scherben werden zusammengesetzt und landen in Museen, andere werden zu Schmuck verarbeitet und auf Märkten oder im Internet verkauft.

Ein 75 cm hohes Gefäß aus dem 15. Jh., aus Scherben zusammengesetzt und im Museum ausgestellt © Petra Häring-Kuan

Jingdezhens wechselvolle Geschichte

Jingdezhen ist stolz auf seine einzigartige Tradition. Ihre Blütezeit erlebte die Stadt während der Ming-Dynastie (1368-1644), als man Porzellan von höchster Qualität herstellte und die kaiserlichen Bestellungen Stückzahlen von mehreren Hunderttausend umfassten. Doch langsam verlor die Stadt den Rang als führendes Produktionszentrum von hochwertigem Porzellan. Mitte des 17. Jahrhunderts kam es durch den Sturz der Ming-Dynastie zu bürgerkriegsähnlichen Revolten und in Jingdezhen zur Zerstörung der kaiserlichen Manufakturen. Zwar wurden diese nach Erstarken der folgenden Qing-Dynastie wieder aufgebaut, doch Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt erneut schwere Verwüstungen in Folge der Taiping-Rebellion (1850-1864). Weiterhin trugen ausländische Besatzung, Bürgerkrieg und Revolution, ebenso die politischen Kampagnen der 1950er Jahre, Planwirtschaft und die Zeit der Kulturrevolution nicht dazu bei, an die Produktion des exquisiten Porzellans der Ming-Zeit anzuknüpfen. Davon erzählt uns ein altgedienter Keramiker in der Yuan-Hua-Ausstellungshalle. Als mit Beginn der Öffnungspolitik und Wirtschaftsreformen in den 1980er Jahren Kaufleute aus Hongkong und Macao Jingdezhen besuchten, um Porzellan zu bestellen, mussten die meisten Töpfer passen. Sie hatten noch nie etwas so Schönes in den Händen gehabt wie es auf den mitgebrachten Abbildungen zu sehen war. Daraufhin rückten die potentiellen Kunden mit Musterstücken und Antiquitätenkatalogen an und erst im Laufe langer Jahre gelang es den Töpfern, sich altes Wissen wieder anzueignen und hochwertiges Porzellan zu produzieren. Die großen Betriebe der modernen Keramikindustrie befinden sich heute jedoch an anderen Standorten im Norden und Süden des Landes.

Dennoch besitzt Jingdezhen noch immer eine fast magische Anziehungskraft, die nach wie vor Künstler, Experten und Liebhaber der Porzellankunst aus aller Welt anzieht. Dies nutzt auch die Stadtverwaltung und präsentiert in einem neu errichteten Kunstzentrum Meisterstücke der Region.

Als jener Keramikerfreund in Shanghai anbot, für uns ein fünftägiges Programm zu organisieren, hatte ich den Besuch ursprünglich auf ein Wochenende reduzieren wollen. Bot Jingdezhen denn wirklich so viel Sehenswertes, fragte ich mich. Welch ein Unsinn! Die fünf Tage vergingen wie im Fluge, und obwohl wir von morgens bis abends einem stramm organisierten Programm folgten, hätte ich liebend gern noch vieles mehr besucht. Vor allem die ländliche Umgebung, in der sich einst viele Werkstätten befanden.

Historische Werkstatt im Umland © Petra Häring-Kuan

Es hilft alles nichts! Ich muss noch einmal hinfahren. Jingdezhen, ich komme wieder!

Schale von Meister Lei Zi © Petra Häring-Kuan
1 Kommentar
  1. Liebe Petra, das war wieder hochinteressant . Und vielen Dank für Deine wundervollen Fotos!❤️🙋🏻‍♀️

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